„Wir haben Zweifel, ob die Frage der Suizidassistenz im Sinne eines eigenen Gesetzes zu regeln ist. Dies ist im Moment nicht abschließend beantwortbar. Deshalb wünschen wir uns eine fachlich weit gefächerte inhaltliche Debatte, eine breite gesellschaftliche Diskussion und stellen bezüglich der Belange von schwerkranken und sterbenden Menschen unsere Expertise zur Verfügung.“ erklärt Prof. Dr. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) im Nachgang zur Ablehnung der am 6. Juli im Bundestag vorgelegten Gesetzesentwürfe zur Suizidassistenz.
Insbesondere in naher Zukunft sei der enge Austausch zwischen der Wissenschaft, den beteiligten Berufsgruppen und Organisationen sowie der Politik entscheidend. „Die aktuelle Entscheidung kann hinsichtlich des Fortgangs der Debatte verunsichern. Gerade deshalb müssen wir alles dafür tun, um Menschen mit ihren sehr ernst zu nehmenden Sterbewünschen nicht allein zu lassen.“ Für die DGP heißt das, die Sommerpause im Bundestag für eine Befragung ihrer rund 6.500 Mitglieder zu Einstellungen und Erfahrungen bezüglich Anfragen zum assistierten Suizid zu nutzen.
Dr. Bernd Oliver Maier, Vizepräsident der DGP, ergänzt: „Wir sind tatsächlich froh, dass es keiner dieser beiden Gesetzesentwürfe geschafft hat, da beide wenig hilfreich gegenüber dem bisherigen und fortbestehenden Handlungsfreiraum erschienen.“ Maier weiter: „Jetzt gilt es, verantwortungsvoll damit umzugehen, dass Freiheit und persönliche Verantwortung anstatt einer gesetzlichen Regelung die Rahmenbedingungen definieren, und zu klären, was es inhaltlich auf dieser Basis für einen angemessenen Umgang mit dem Wunsch nach Suizidasssistenz braucht - eventuell auch im Hinblick auf spezifische Ansätze für einzelne Zielgruppen.“ So hat die DGP für den Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der Hospizarbeit und Palliativversorgung eine Broschüre vorgelegt, die zahlreiche Einrichtungen bereits als interne Diskussionsvorlage verwenden.
„Dringend bleibt außerdem, intensiv über die Optionen der Hospiz- und Palliativversorgung zu informieren.“, unterstreicht Andreas Müller, ebenfalls Vizepräsident der DGP. „Es braucht breit angelegte Kampagnen, um die Bevölkerung über Möglichkeiten der Begleitung am Lebensende aufzuklären.“ Aus ihrer eigenen Kampagne „das ist palliativ“ weiß die Fachgesellschaft, wie wichtig es ist, sich frühzeitig mit individuellen Fragen zum Umgang mit einer lebensbegrenzenden Erkrankung und zur Gestaltung des Lebensendes an eine Anlaufstelle in der Nähe wenden zu können. Für die schnelle und unkomplizierte Kontaktaufnahme verweist Müller auf den Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung Deutschland, in dem über 3.000 bundesweite Angebote sowohl für schwerstkranke Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene verzeichnet sind. In zehn Sprachen sind knappe Informationen zu ambulanten und stationären Versorgungsangeboten zugänglich.
„Doch steht die Versorgung nicht allen Menschen mit einer lebensbegrenzenden Erkrankung in gleichem Umfang offen. Zur Zugangsgerechtigkeit in der Versorgung besteht nach wie vor intensiver Gesprächs- und Entwicklungsbedarf.“ hebt Claudia Bausewein eine weitere Herausforderung hervor. „Dies ist absolut notwendig, auch, um allen schwer erkrankten Menschen und ihren Familien unabhängig von der Grunderkrankung frühzeitig offene und wiederholte Gespräche zu einem etwaigen Wunsch nach Suizidassistenz anbieten zu können.“
Abschließend weist Heiner Melching als Geschäftsführer der DGP noch einmal deutlich darauf hin: „Mit der Entscheidung vom 6. Juli ist keine Einschränkung der bisherigen Handlungsoptionen verbunden, das heißt, es ist keine rechtsfreie Situation entstanden. Vielmehr ist assistierter Suizid nach wie vor möglich, nur nicht unter einem einheitlichen Regelwerk.“ In diesem Zusammenhang bedauert Melching missverständliche und falsche Informationen, die mit dem komplexen Thema der Suizidhilfe einhergingen, und betont: „Wir brauchen weitere Kenntnisse, die differenzierte Betrachtung verschiedener Gruppen bezüglich ihres Suizidwunsches und eine klare Priorisierung der Suizidprävention, ohne Menschen mit einem freiverantwortlichen und dauerhaften Wunsch nach Suizidassistenz aus dem Blick zu verlieren. Insgesamt werden Qualifikationen im Umgang mit Sterbewünschen unumgänglich sein, dafür wird sich die DGP einsetzen.“
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin: Zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der Hospizarbeit und Palliativversorgung:
https://www.dgpalliativmedizin.de/images/230509_Broschu%CC%88re_Suizidassistenz_v2.pdf
Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung Deutschland:
https://www.wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de/
Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin:
https://www.dasistpalliativ.de/
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin:
www.palliativmedizin.de