das ist palliativ

    Zur heutigen Suizidassistenz-Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages: Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin lehnt Umsetzung der aktuellen Gesetzesentwürfe ab

    DGP-Vorstand: Gravierende Mängel, Unschärfen und missverständliche Regelungen I Fachgesellschaft irritiert: Als Sachverständige geladene Vorstandsmitglieder kurzfristig ausgeladen I Umso wichtiger, Debatte fortzuführen, Palliativ- und Hospizversorgung auszubauen, Suizidprävention zu stärken, im Umgang mit Todeswünschen zu qualifizieren

    anhörung nsmPD Dr. Martin Neukirchen, Dr. Alexandra Scherg, Heiner Melching (v.l.) © Ch. Mensger 28.11.2022 I Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) spricht sich in einer aktuellen Stellungnahme gegen die Umsetzung der drei heute im Rechtsausschuss zur Diskussion stehenden Gesetzesentwürfe zur Suizidassistenz aus. DGP-Geschäftsführer Heiner Melching betont: „Wir sehen bei allen drei vorliegenden Gesetzesentwürfen in Bezug auf die Gruppe der Menschen mit fortschreitenden Erkrankungen und begrenzter Lebenserwartung gravierende Mängel, Unschärfen und missverständliche Regelungen.“ Die entsprechende Stellungnahme der DGP hat bei Einreichung dazu geführt, dass zwei ärztliche Vorstandsmitglieder, die als Sachverständige relevante und aktuelle Rückmeldungen aus der Praxis der Palliativversorgung hätten geben können, wieder ausgeladen wurden: „Ein höchst zweifelhafter „Erfolg“ von konstruktiver Kritik!“ bewertet PD Dr. Martin Neukirchen das Geschehene.

    Geschäftsführer Heiner Melching beanstandet inhaltlich insbesondere, dass die Gesetzesvorlagen nicht „die besondere Beziehungsebene zwischen einem sterbewilligen und einem anderen möglicherweise zur Suizidhilfe bereiten Menschen“ berücksichtigen. Dem DGP-Vorstand erscheinen außerdem die gewählten Fristen und Konzepte für die Ermittlung der Dauerhaftigkeit respektive Unveränderlichkeit und Freiverantwortlichkeit eines Suizidwunsches „willkürlich“. DGP-Vizepräsident Dr. Bernd-Oliver Maier ergänzt: „Vorsicht ist ebenfalls bei den Konzepten zur Überlassung einer tödlichen Substanz geboten. Die vorliegenden Gesetzesentwürfe laufen Gefahr, eine vermeintlich einfache Lösung für ein komplexes Problem zu bieten.“

    „Wir wissen um das konstruktive Ringen vieler Abgeordneter in der Debatte um die Gesetzesvorhaben.“ so Maier. „Doch bewerten wir aus der Perspektive des angemessenen Umgangs mit Todes- und Suizidwünschen bei Menschen mit weit fortgeschrittenen Erkrankungen und palliativmedizinischem Unterstützungsbedarf einige Punkte als zu kritisch.“ Dies erläutert der Chefarzt für Palliativmedizin und interdisziplinäre Onkologie: „Jeder der vorliegenden Entwürfe führt zu einer ‚Juristisierung‘ des Lebensendes, in der die persönliche Einlassung beinahe keine Rolle mehr spielt. Wir halten jedoch eine vertrauensvolle Beziehung und die fürsorgliche Unterstützung der Betroffenen für essentiell, um offen über Suizid- und Todeswünsche sprechen zu können.“

    Da die aktuell bestehende Gesetzeslage bereits einen Handlungsspielraum biete, der die Umsetzung der Suizidassistenz prinzipiell ermögliche, empfiehlt die Fachgesellschaft die Fortsetzung der Diskussion über einen angemessenen Umgang mit der Frage der assistierten Selbsttötung. Vor einer etwaigen gesetzlichen Regelung erachtet die DGP folgende Maßnahmen als absolut dringlich:

    • Ausbau von Angeboten der Hospizarbeit und Palliativversorgung
    • Förderung und Finanzierung der Suizidprävention
    • Förderung des gesellschaftlichen Diskurses zur Enttabuisierung der Themen Lebensende, Sterben und Tod
    • Niedrigschwellige Kampagne zur Information der Bevölkerung über Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung sowie Rechte und Handlungsoptionen von Patient:innen und Angehörigen
    • Stärkung der Aus- und Fortbildung der Berufsgruppen in der Palliativversorgung zum Umgang mit Todes-wünschen
    • Erfassung von assistierten Suiziden auf Totenscheinen und in der Todesursachenstatistik

    Die Palliativmedizin verstehe sich als ein Teil der Suizidprävention, unterstreicht auch DGP-Vorstandsmitglied Dr. Alexandra Scherg: „Neben einem Ausbau der Palliativmedizin selbst ist es im Sinne der Suizidprävention unbedingt notwendig, den angestoßenen Diskurs fortzusetzen, zum Beispiel durch öffentliche Aufklärungskampagnen. Ärzt:innen müssen außerdem schon während ihrer Ausbildung auf den professionellen Umgang mit Verantwortung und Unsicherheit vorbereitet werden.“ Internistin Alexandra Scherg verfolgt die Anhörung heute gemeinsam mit PD Dr. Martin Neukirchen von der Publikumstribüne aus, da sie am vergangenen Donnerstag als Sachverständige kurzfristig ausgeladen wurden.

    Stellungnahme des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) zu den Gesetzesentwürfen zum Themenkomplex der Suizidassistenz und der Suizidprävention bezogen auf Menschen in palliativen Erkrankungssituationen

    Stellungnahme des Vorstands der DGP zu den Gesetzesentwürfen zum Themenkomplex der Suizidassistenz und der Suizidprävention bezogen auf Menschen in palliativen Erkrankungssituationen 

    Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin: Zum Umgang mit dem Wunsch nach Suizidassistenz in der Hospizarbeit und Palliativversorgung

    https://www.dgpalliativmedizin.de/images/220318_Broschuere_Suizidassistenz_100dpi.pdf

    Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), Deutscher Hospiz- und PalliativVerband (DHPV), Nationales Suizidpräventionsprogramm (NaSPro), Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS): Eckpunkte für eine gesetzliche Verankerung der Suizidprävention

    https://www.koordinierung-hospiz-palliativ.de/files/dokumente/220620_Eckpunkte_fuer_gesetzliche_Verankerung_Suizidpr%C3%A4vention.pdf

    Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), 28.11.2022

    Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin lehnt Umsetzung der aktuellen Gesetzesentwürfe ab

     

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